Deutschland ist das Mieterland Nummer 1 in der EU. Über die Hälfte der Bevölkerung (53,5 %) lebte hierzulande im Jahr 2022 zur Miete. Umso wichtiger ist es daher als Mieter und Vermieter über seine mietvertraglichen Rechte informiert zu sein. Dies gilt insbesondere, wenn es um das einschneidendste Recht geht, nämlich die Kündigung des Mietverhältnisses. In der Praxis spielt die größte Rolle hierbei die sogenannte Eigenbedarfskündigung. Der folgende Artikel soll einen kurzen Überblick über häufig gestellte Fragen zu diesem Thema geben.
1.Wer kann kündigen?
Nach dem Gesetzeswortlaut kann der Vermieter Eigenbedarf im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB zunächst für sich selbst geltend machen. Hierbei ist es nicht entscheidend, ob der Vermieter gleichzeitig der Eigentümer ist. Gibt es mehrere Vermieter, so reicht es aus, wenn Eigenbedarf für einen der Vermieter besteht. Handelt es sich bei dem Vermieter nicht um eine natürliche Person, sondern beispielsweise um eine GmbH oder OHG, ist eine Eigenbedarfskündigung ausgeschlossen. Einzige Ausnahme ist hier eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Hier ist die Geltendmachung von Eigenbedarf hinsichtlich eines der Gesellschafter oder dessen Angehörigen möglich. Eine Personengesellschaft als Vermieter kann jedoch sogenannten Betriebsbedarf geltend machen, wenn die Nutzung der Wohnung für die betriebliche Funktion und Aufgabe für den Betriebsverlauf von nennenswertem Vorteil ist. Streng genommen handelt es sich hierbei jedoch nicht um Eigenbedarf im Sinne des §§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, sondern um ein sogenanntes weiteres berechtigtes Interesse im Sinne des §§ 573 Abs. 1 BGB.
2. Für wen kann gekündigt werden?
Unzweifelhaft kann Eigenbedarf geltend gemacht werden, wenn der Vermieter die Räumlichkeiten selbst nutzen will. Eine Eigenbedarfskündigung ist jedoch auch zugunsten von im Haushalt des Vermieters stehenden Personen oder seinen Familienangehörigen möglich. Unproblematisch unter Familienangehörige fallen Kinder, Enkel, Nichten und Neffen, Eltern, Großeltern und Geschwister des Vermieters. Auch weiter entfernte Verwandte des Vermieters kommen grundsätzlich als Familienangehörige, für welche ein Eigenbedarf geltend gemacht werden kann, in Betracht, wobei die Rechtsprechung hier jedoch eine besondere Verantwortung oder Nähebeziehung fordert. Häufigster Anwendungsbereich für Haushaltsangehörige des Vermieters sind hier Hausangestellte oder vor allem Pflegepersonen, welche zum Zeitpunkt der Kündigung im Haushalt des Vermieters wohnen.
3. Wie wird gekündigt?
Die Kündigung hat schriftlich und gegenüber sämtlichen Mietern zu erfolgen. Schriftlich bedeutet in diesem Fall, dass die Kündigung von sämtlichen Vermietern eigenhändig unterschrieben sein muss. Das Kündigungsschreiben muss dem Mieter zugehen. Aus Beweiszwecken bietet es sich daher an, das Schreiben unter Zeugen persönlich zu übergeben. Das Kündigungsschreiben muss spätestens am dritten Werktag eines Monats beim Mieter zugegangen sein, damit dieser Monat noch hinsichtlich der Kündigungsfrist mitzählt. Die Kündigungsfrist beträgt grundsätzlich drei Monate und verlängert sich nach einer Mietzeit von fünf, bzw. acht Jahren um jeweils weitere drei Monate.
4. Welchen Inhalt muss das Kündigungsschreiben haben?
Von der Rechtsprechung werden die Anforderungen an den Inhalt und die Begründung einer Eigenbedarfskündigung zwar nicht zu hoch und übertrieben formalistisch gesetzt, dennoch muss der Kündigungsgrund so präzise bezeichnet sein, dass der Mieter erkennen kann, auf welche Grundlage der Vermieter die Kündigung stützt. Im Klartext: Das Wort Eigenbedarfskündigung muss in jedem Fall im Schreiben auftauchen. Nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind im Falle einer Eigenbedarfskündigung die Personen, für die der Wohnraum benötigt wird, sowie der konkrete Sachverhalt, aus dem sich das Interesse dieser Personen an der Erlangung des Wohnraums ergibt, darzulegen. (BGH, Urteil v. 15.3.2017 - VIII ZR 270/15 Rn. 15). Auch wenn an die Begründung also nicht allzu hohe Anforderungen zu stellen sind, rate ich in der Praxis an, lieber ein wenig ausführlicher zu begründen, warum die Wohnung konkret benötigt wird.
5. Wann ist die Eigenbedarfskündigung begründet?
Bei dieser Frage hilft es sich vor Augen zu führen, dass es sich bei der Wohnung, für welche eine Eigenbedarfskündigung ausgesprochen wird, um Eigentum des Vermieters handelt. Der Schutz des Eigentums ist in Art. 14 des Grundgesetzes fest verankert. Aus diesem Grund hat das Bundesverfassungsgericht im Jahre 1989 entschieden, dass im Ergebnis jegliche vernünftige und nachvollziehbare Eigennutzungsgründe erforderlich und ausreichend sind um Eigenbedarf zu rechtfertigen. Keine solchen vernünftigen Gründe liegen bei weit überhöhten Wohnbedarf vor, oder wenn die gekündigte Wohnung die Nutzungswünsche von vornherein überhaupt nicht erfüllen kann. Wichtig ist hier, dass es hinsichtlich des Wohnbedarfs auf die Vorstellung des Vermieters ankommt. Wer also schon immer in einer großen Wohnung gewohnt hat, kann auch einen größeren Wohnbedarf für sich geltend machen. Der Einwand, dass die gekündigte Wohnung für den Vermieter oder das Familienmitglied, für welches gekündigt wird, doch viel zu groß sei wird daher regelmäßig nicht verfangen. Weit überhöhter Wohnbedarf liegt erst bei Überschreiten der Grenze des Rechtsmissbrauchs vor. Nach Urteil des Landgerichts München liegt dies zumindest dann vor, wenn eine Vierzimmerwohnung mit ca. 117 m² Wohnfläche zugunsten eines alleinstehenden, sich in der Berufsausbildung befindlichen Kindes gekündigt wird. Im Zweifel kommt es jedoch auf den Einzelfall an, wobei die Voraussetzungen für einen Rechtsmissbrauch, wie dargelegt, hoch sind.
6. Wird zwischen den Interessen des Vermieters und denen des Mieters abgewogen?
Unter Berücksichtigung der oben dargelegten Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts beantwortet sich diese Frage quasi von selbst. Nachdem es sich bei der Wohnung um grundrechtlich geschütztes Eigentum des Vermieters handelt, reichen vernünftige Erwägungen aus, um die Wohnung für sich selbst zu beanspruchen. Es findet damit grundsätzlich keine Abwägung zwischen den Interessen des Vermieters und den Interessen des Mieters statt. Der Mieter steht jedoch einer Eigenbedarfskündigung dennoch nicht rechtlos gegenüber, denn …
7. Wie wehre ich mich gegen eine Eigenbedarfskündigung?
Die Eigenbedarfskündigung stellt eine sogenannte ordentliche Kündigung dar, weswegen dem Mieter die Möglichkeit des Sozialwiderspruchs gemäß § 574 BGB gegen die Kündigung zusteht. Nach § 574 Abs. 1 BGB kann ein Mieter der Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum durch den Vermieter widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Wie sich aus dem Wortlaut des §§ 574 BGB ergibt, handelt es sich bei diesem Sozialwiderspruch um eine Härtefallklausel. Dies bedeutet, dass es sich grundsätzlich bereits um eine Ausnahmevorschrift handelt und daher hohe Anforderungen an die anzuführenden Gründe zu stellen sind. Als Gründe hinsichtlich der Interessenabwägung auf Mieterseite in Betracht kommen - Anzahl der Personen in der Wohnung/Pflege von Angehörigen - Schwerbehinderteneigenschaft oder hohes Alter - aktuelle Erkrankung oder Schwangerschaft - besondere soziale Verwurzelung In der Praxis wichtigste Anwendungsfall einer sozialen Härte ist jedoch, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann. Aufgrund des aktuell sehr angespannten Wohnungsmarktes, insbesondere auch im Großraum Stuttgart scheint es zunächst, dass dieser Härtegrund häufig zu dem Scheitern von Eigenbedarfskündigungen führen könnte.
Hier spielt jedoch wieder der Charakter des § 574 Abs. 1 BGB als Härtefall- und Ausnahmeklausel eine Rolle. Dies bedeutet, dass ein erfolgreiches Berufen auf § 574 Abs. 1 BGB erst dann in Betracht kommt, wenn unter Anstrengung sämtlicher zumutbarer Bemühungen tatsächlich keinerlei adäquater Wohnraum gefunden werden kann. Die Anforderung der Rechtsprechung an diese Bemühungen sind sehr hoch. Mit 2-3 Wohnungsinseraten und Anfragen auf den bekannten Onlinebörsen ist es nicht getan. Es müssen jegliche Möglichkeiten zur Wohnungssuche ausgeschöpft werden, dies beinhaltet, dass Schalten von eigenen Wohnungsinseraten, dass Anfragen bei sämtlichen in Betracht kommenden Wohnungen im erweiterten Umkreis, das nutzen jeglicher Plattformen, auf welchen Wohnungen angeboten werden. Teilweise wird zudem gefordert, einen Makler zur Wohnungsvermittlung einzuschalten. Bekanntermaßen entsteht ein Maklerhonorar lediglich im Erfolgsfalle, sodass die erfolglose Suche mit einem Makler für die betroffenen Mieter kostenlos bleibt. Erst wenn ein Mietvertrag tatsächlich unterschrieben ist, entstehen Maklergebühren, soweit der Makler diesen Mietvertrag vermittelt hat. Zu Beweiszwecken sollten die Bemühungen eine Wohnung zu suchen vollständig dokumentiert und archiviert werden. Es reicht zudem nicht aus, wenn mit der Suche erst kurz vor Ende der Räumungsfrist oder gar erst nach Einreichung einer Räumungsklage begonnen wird. Die Suche muss vom Tag des Erhalts der Kündigung beginnen. Selbst ein erfolgreiches Berufen auf § 574 Abs. 1 BGB führt nicht zwangsläufig dazu, dass das Mietverhältnis dauerhaft fortgesetzt wird. Wird sich erfolgreich auf einen Härtegrund berufen, kann der Mieter gemäß § 574a BGB lediglich verlangen, dass das Mietverhältnis so lange fortgesetzt wird, wie dies unter Berücksichtigung aller Umstände angemessen ist. Im häufigsten Fall des Sozialwiderspruchs, also dem Einwand keinen Ersatzwohnraum zu finden, damit lediglich so lange, bis ein Ersatzwohnraum gefunden werden kann. Wird ein Mietverhältnis nach erfolgreichem Sozialwiderspruch fortgesetzt, kann der Vermieter jedoch gemäß § 574a BGB auch verlangen, dass die bisherigen Bedingungen, insbesondere die Miethöhe angepasst wird, wenn ihm ein Festhalten unter unveränderten Bedingungen nicht zumutbar ist.
8. Muss ich als Vermieter eine Ersatzwohnung anbieten, soweit mir eine solche zur Verfügung steht?
Steht dem Vermieter eine weitere Wohnung zur Verfügung, welche auch bisher als Wohnung vermietet wurde und auch in Zukunft als Wohnung genutzt werden soll, oder wird diese Wohnung während der laufenden Kündigungsfrist frei und befindet sich diese Wohnung im selben Haus oder in der gleichen Wohnanlage, muss der Vermieter dem Mieter dieser Wohnung zu angemessenen Bedingungen zur Nutzung anbieten. Wird die Wohnung erst nach Ablauf der Kündigungsfrist, beispielsweise im Räumungsverfahren frei, besteht eine solche Anbietungspflicht nicht, da ansonsten der Mieter, welcher sich vertragswidrig verhält, und die Wohnung nicht räumt, privilegiert wäre. Nach neuerer Rechtsprechung des BGH (BGH Urteil vom 21. Dezember 2015, VIII ZR 232 / 15) führt die Verletzung dieser Anbietpflicht jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, sondern lediglich zu einem Schadensersatzanspruch der betroffenen Mieter. Der Schaden sind hierbei regelmäßig die erhöhten Umzugskosten, sowie etwaige erhöhte Mietkosten in der neuen Wohnung.
9. Ich bin nach Eigenbedarfskündigung ausgezogen, jetzt stellt sich heraus, die Person für die gekündigt wurde ist überhaupt nicht in die Wohnung eingezogen. Was tun?
Wie dargestellt, handelt es sich bei der Eigenbedarfskündigung um ein wirksames Instrument, eine Beendigung eines Mietverhältnisses herbeizuführen. Aus diesem Grund kommt es mitunter vor, dass Vermieter einen Eigenbedarf lediglich vortäuschen. Es dürfte wenig überraschen, dass ein solches Vorgehen nicht nur strafrechtliche Folgen haben kann, sondern auch erhebliche Schadensersatzpflichten ausgelöst. Als Schaden geltend gemacht werden, können hier insbesondere die für den Umzug angefallenen Kosten, sowie die Differenz der Miethöhe, wenn für die neue Wohnung ein erhöhter Mietzins bezahlt wird.
Natürlich muss in einem solchen Fall zunächst bewiesen werden, dass der Eigenbedarf nur vorgetäuscht war. Anhaltspunkte sind hierbei regelmäßig der unmittelbare Verkauf oder die Neuvermietung der Wohnung nach erfolgter Eigenbedarfskündigung. Ich habe weiter Fragen hinsichtlich meiner Eigenbedarfskündigung Das Thema Eigenbedarfs Kündigung ist komplex, in jedem Einzelfall neu zu bewerten und voller entscheidender Details. Bei weiteren Fragen rund um Ihre persönliche Situation stehe ich gerne mit Rat und Tat zur Seite. Zögern Sie nicht, Kontakt aufzunehmen.