Der auf künftige Räumung verklagte Mieter von Gewerberäumen ist zur Vermeidung der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht gehalten, sich auf eine Aufforderung des Vermieters zu seiner Bereitschaft zu erklären, die Mieträume bei Vertragsende an den Vermieter herauszugeben. Allein durch sein Schweigen auf eine solche Aufforderung des Vermieters gibt er noch keine Veranlassung zur Klageerhebung im Sinne von § 93 ZPO. BGH, Beschluss vom 28.06.2023 - XII ZB 537/22

Zwischen dem Vermieter und späteren Kläger und den Beklagten bestand seit August 2018 ein unbefristetes Mietverhältnis über von den Beklagten als Arztpraxis genutzte Räumlichkeiten. Mit Schreiben vom 16.03.2022 erklärte der Kläger fristgerecht die ordentliche Kündigung zum 30.09.2022. Nachdem eine Reaktion der Beklagten auf die Kündigung ausblieb, ließ der Kläger, der eine Anschlussvermietung plante, die Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 28.04.2022 auffordern, bis 12.05.2022 die fristgerechte Räumung der Mieträume zu bestätigen. Da die Beklagten auch hierauf nicht reagierten, forderte der Kläger die Beklagten mit weiterem Anwaltsschreiben vom 27.05.2022 erneut zur Bestätigung der fristgerechten Räumung bis spätestens 10.06.2022 auf.

Mangels Reaktion der Beklagten hierauf hat der Kläger im Juli 2022 Klage auf künftige Räumung gegen die Beklagten erhoben und dabei auch die Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten verlangt. Nach Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens und Zustellung der Klage nebst Eingangsverfügung am 12.08.2022 haben die Beklagten die geltend gemachten Ansprüche am 24.08.2022 unter Protest gegen die Kostenlast anerkannt. Die Beklagten haben dabei geltend gemacht, dem Kläger keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben zu haben, und angekündigt, die Mieträume pünktlich zum Vertragsende geräumt herauszugeben.

Das Landgericht hat die Beklagten ihrem Anerkenntnis gemäß verurteilt und ihnen die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Auf die gegen die Kostenentscheidung gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Anerkenntnisurteil im Kostenpunkt dahingehend geändert, dass der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.

Der Bundesgerichtshof kam unter anderem zu dem Ergebnis, dass die Beklagten durch ihr Schweigen auf die zweimalige Aufforderung des Klägers, ihre Bereitschaft zur Herausgabe der Mieträume bei Ende der Mietzeit zu bestätigen, keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hätten.

Eine Veranlassung zur Klageerhebung im Sinne von § 93 ZPO würde ein Mieter dann geben, wenn sein Verhalten vor dem Prozess aus Sicht eines Vermieters bei vernünftiger Betrachtung hinreichenden Anlass für die Annahme bietet, er werde ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht zu seinem Recht kommen. Diese Beurteilung bedürfe, so weiter der Bundesgerichtshof, einer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und sei einer allgemeinen Beurteilung nicht zugänglich.

§ 93 ZPO („Kosten bei sofortigem Anerkenntnis“) hat folgenden Inhalt:

„Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.“

Der Bundesgerichtshof hat die Annahme des Oberlandesgerichts bestätigt, dass nämlich ein Schuldner im Allgemeinen vor Fälligkeit eines Anspruchs grundsätzlich nicht verpflichtet oder zur Vermeidung eigener Kostennachteile gehalten ist, sich zu seiner Leistungsbereitschaft zu erklären. Das Verfahren nach § 257 ZPO, so weiter der Bundesgerichtshof, solle dem Gläubiger des Räumungsanspruchs zwar eine frühzeitige Möglichkeit zur gerichtlichen Durchsetzung seines erst künftig fällig werdenden Anspruchs eröffnen. Ihm solle aber das Kostenrisiko, das sich nach § 93 ZPO aus einem vom als Räumungsschuldner in Anspruch genommenen Besitzer gegebenenfalls erklärten sofortigen Anerkenntnis ergebe, nicht abgenommen werden.

§ 257 ZPO („Klage auf künftige Zahlung oder Räumung“) hat folgenden Inhalt:

„Ist die Geltendmachung einer nicht von einer Gegenleistung abhängigen Geldforderung oder die Geltendmachung des Anspruchs auf Räumung eines Grundstücks oder eines Raumes, der anderen als Wohnzwecken dient, an den Eintritt eines Kalendertages geknüpft, so kann Klage auf künftige Zahlung oder Räumung erhoben werden.“

Nach dem Bundesgerichtshof solle das Verfahren nach § 257 ZPO dem Gläubiger des Räumungsanspruchs eine frühzeitige Möglichkeit zur gerichtlichen Durchsetzung seines erst künftig fällig werdenden Anspruchs eröffnen. Ihm solle aber auch das Kostenrisiko, das sich nach § 93 ZPO aus einem vom als Räumungsschuldner in Anspruch genommenen Besitzer gegebenenfalls erklärten sofortigen Anerkenntnis ergibt, nicht abgenommen werden. Mithin stelle die Regelung in § 93 ZPO ein wichtiges gesetzliches Korrektiv zur Wahrung der schutzwürdigen Belange des Schuldners dar.

Zusammengefasst hat der Bundesgerichtshof nochmals festgehalten, dass allein aus dem Schweigen des Mieters auf eine Aufforderung des Vermieters, sich über seine künftige Vertragstreue und Leistungsbereitschaft zu erklären, sich keine Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass der Schuldner bei Fälligkeit nicht leisten bzw. nicht räumen wird.