Der Begriff der "Scheinselbstständigkeit" ist in aller Munde. Geschätzt gibt es 1 Million "Scheinselbständige". "Scheinselbständigkeit" ist rechtswidrig und gilt als Schwarzarbeit. Insbesondere für Arbeitgeber drohen weitreichende finanzielle und haftungsrechtliche Folgen bei fehlerhafter Einordnung. Nicht wenige "Scheinselbstständige" und ihre Auftraggeber/Arbeitgeber befinden sich im Irrglaube in Bezug auf die Rechtmäßigkeit ihrer Vertragsbeziehungen. Den folgenden beispielhaften Rechtsirrtümern bei Scheinselbstständigkeit sollten Sie nicht unterliegen. Frühzeitiger Rechtsrat ist in diesem Zusammenhang zu empfehlen, denn Unwissenheit schützt bekanntermaßen vor Strafe nicht!

Irrtum 1:

k3s scheinselbstaendigkeit

Mehrere Auftraggeber schützen vor "Scheinselbständigkeit".

Falsch:

Jeder Auftrag ist gesondert zu prüfen. Man kann auch für mehrere Auftraggeber sozialversicherungspflichtig als Arbeitnehmer beschäftigt sein.

Irrtum 2:

Wer nur einen Auftraggeber hat, ist "scheinselbständig".

Falsch:

Auch Auftragnehmer mit nur einem Auftraggeber können selbständig sein. In diesem Fall handelt es sich um sogenannte arbeitnehmerähnliche Selbständige. Dieser Begriff  ist in § 12a TVG ausdrücklich im Gesetz verankert.

Irrtum 3:

Wenn im Vertrag geregelt ist, dass es sich um eine freie Mitarbeit ohne Weisungen nach Ort und Zeit handelt, schließt dies die Selbständigkeit aus.

Falsch:

Zwar ist der Vertrag ein mögliches Indiz für Selbständigkeit, jedoch kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse an. Insbesondere wenn die gelebte Praxis der vertraglichen Vereinbarung widerspricht schützt der Vertrag nicht. Dennoch ist es sinnvoll, eine entsprechende rechtssichere Vertragsgrundlage zu schaffen, um „Scheinselbständigkeit“ zu vermeiden.

Irrtum 4:

Der Auftraggeber kann das Risiko der Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen an den Auftragnehmer („Scheinselbständigen“) abwälzen in Form einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung.

Falsch:

Eine solche Vereinbarung ist wegen Verstoß gegen § 32 Abs. SGB I nichtig. Für die Abführung der Sozialabgaben haftet der Arbeitgeber.

Irrtum 5:

Wer nicht im Betrieb sondern von zu Hause mit eigenem Büro arbeitet ist selbstständig.

Falsch:

Ein Homeoffice-Arbeitsplatz ist auch in Arbeitsverhältnissen möglich und üblich.

Irrtum 6:

Eine GmbH schützt vor „Scheinselbständigkeit“.

Falsch:

Insbesondere bei einer so genannten Ein-Mann GmbH mit einem mitarbeitenden Gesellschafter-Geschäftsführer droht die Annahme einer Umgehung durch die DRV und die Sozialgerichte.

Irrtum 7:

Die Statusfrage lässt sich anhand eines Kriterienkatalogs abschließend klären.

Falsch:

Den Kriterienkatalog gibt es nicht mehr. Auch Checklisten helfen nur bedingt. Es kommt immer auf eine Einzelfallprüfung, welche anhand einer Vielzahl von Kriterien und deren Gewichtung beurteilt wird, an.

Irrtum 8:

Ein Statusfeststellungsverfahren führt zur Klärung aller Aufträge eines Selbständigen.

Falsch:

Kommt es zu einer Befreiung durch die BfA oder DRV ist diese jeweils an den jeweiligen Auftrag gebunden. Das Statusfeststellungsverfahren kann nur den Status in Bezug auf einen Auftraggeber und Auftrag klären.

Irrtum 9:

Bezahlter Urlaub ist ein Indiz für "Scheinselbständigkeit".

Falsch:

Da auch sog. arbeitnehmerähnliche Selbstständige nach dem Bundesurlaubsgesetz § 2 BUrlG einen Rechtsanspruch auf bezahlten Urlaub haben, muss es sich nicht notwendigerweise um einen „Scheinselbständigen“ handeln.

Irrtum 10:

Die Folgen von "Scheinselbständigkeit" treffen nur den Auftraggeber/Arbeitgeber.

Falsch:

Eine falsche Einordnung des Status Arbeitnehmer oder Selbständiger kann auch für den "Scheinselbständigen" unangenehme Folgen haben. Zwar haftet der Auftraggeber/Arbeitgeber für die Sozialversicherungsbeiträge in der Vergangenheit faktisch alleine, jedoch wird auch bei der Einkommens/Lohnsteuer/Umsatzsteuer und gegebenenfalls auch bei der Gewerbesteuer eine Rückabwicklung vorgenommen die auch den Selbständigen betreffen kann. Möglicherweise kann auch eine Rückzahlung zu viel gezahlter Vergütung vom Arbeitgeber verlangt werden.

Irrtum 11:

Wer sozialgerichtlich festgestellt sozialversicherungspflichtiger abhängiger Beschäftigter ist, ist auch Arbeitnehmer man kann sich auf Arbeitnehmerschutzvorschriften vor dem Arbeitsgericht berufen.

Falsch:

Zwar sind die Kriterien für die Beurteilung, ob jemand Selbständiger oder Arbeitnehmer ist größtenteils identisch, jedoch entscheidet jede Gerichtsbarkeit selbst mit oft unterschiedlichen Ergebnissen. Auch entfaltet eine rechtskräftige Entscheidung der einen Gerichtsbarkeit keine Bindungswirkung für die andere.