In einem Aufsehen erregenden Urteil vom 22.02.2018 änderte der siebte Senat des Bundesgerichtshofs seine jahrzehntelange Rechtsprechung zur Berechnung von Schadensersatzansprüchen bei Mängeln. Die Praxis, Schadensersatz auf Basis von Kostenvoranschlägen geltend zu machen ohne jedoch tatsächlich nachzubessern, hat sich damit erledigt.
Nach der bisherigen Rechtslage konnte ein Besteller, der ein mangelhaftes Werk erhalten hatte, vereinfacht gesagt zwischen vier Mängelansprüchen wählen: Nachbesserung durch den Unternehmer selbst, Ersatz der Nachbesserungskosten, Schadensersatz ohne Nachbesserung und Rücktritt/Minderung, wobei die letzte Variante in der Praxis äußerst selten zur Anwendung kam.
Entschied man sich gegen eine Nachbesserung und verlangte stattdessen Schadensersatz, konnte dieser Anspruch relativ einfach berechnet werden.
Er ergab sich aus den Netto-Kosten einer (nicht durchgeführten) Nachbesserung, konnte m.a.W. recht einfach anhand eines Gutachtens oder eines Kostenvoranschlags ermittelt werden.
Diese einfache und praktikable Berechnung will der BGH nun nicht mehr akzeptieren. Ihn treibt die Furcht vor einer sog. Überkompensation: Der geschädigte Bauherr soll nicht mehr als seinen echten Schaden erhalten.
Und da beispielsweise ein kleiner Schaden im Außenputz, der für 1000 € nachgebessert werden könnte, nicht zu einer Wertminderung des gesamten Gebäudes von 1000 € führt, soll der Bauherr, der den Schaden tatsächlich nicht beseitigen lassen möchte, auch nicht diese 1000 € erhalten - wie bisher - sondern allenfalls den Betrag, um den das Haus im Wert gemindert wurde.
Das kann zu der kuriosen Situation führen, dass ein Bauherr, dessen Haus gelb statt rot gestrichen wurde, überhaupt keinen Schadensersatz erhält, weil gelbe Häuser nicht weniger wert sein dürften als rote - obwohl der Anstrich in der falschen Farbe ganz offensichtlich ein gravierender Mangel ist.
In der Praxis gravierender ist der Umstand, dass die Wertminderung in aller Regel äußerst schwierig bis unmöglich zu bestimmen ist. Während die Nachbesserungskosten, auf die es in der Vergangenheit ankam, vergleichsweise einfach und nachvollziehbar abschätzbar waren, gehen die Einschätzungen von Sachverständigen bei Wertminderungen weit auseinander bzw. geben selbst Sachverständige regelmäßig zu, dass ein solcher Wert nicht definitiv bestimmt werden kann.
Die Variante, einen Mangel nicht zu beseitigen und Schadensersatz zu verlangen, dürfte damit in der Praxis an Bedeutung verlieren. Die Beratungspraxis wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach dahingehend entwickeln, dass statt zum Schadensersatz ohne Nachbesserung eher dazu geraten wird, einen Brutto-Vorschuss geltend zu machen und die Mängel tatsächlich durch andere Handwerker beseitigen zu lassen.