Nicht selten ergibt sich im Zusammenhang mit der Besitzübergabe von Wohnungseigentum folgende Situation: Der Bauträger fordert den Erwerber auf, am Tage X die Wohnung, das Haus abzunehmen.
Der Erwerber nimmt im Termin die Wohnung/das Haus ab, behält sich jedoch, festgehalten im Abnahmeprotokoll, Mängel vor, d. h. er rügt Mängel.
Der Bauträger macht die Besitzübergabe davon abhängig, dass sein Vertragspartner sämtliche Raten einschließlich der Rate, die bei Besitzübergabe fällig wird, bezahlt, bevor er dem Erwerber den Besitz an der Wohnung, am Haus einräumt, ihm die Schlüssel übergibt.
Der Erwerber weigert sich, den gesamten Betrag zu bezahlen und bietet an, den vereinbarten „Kaufpreis“ zu bezahlen abzüglich der 5-prozentigen Sicherheit nach
§ 632 a Abs. 3 BGB, die erst zur Zahlung fällig ist bei vollständiger rechtzeitiger und mangelfreier Herstellung des Werks, abzüglich der aufgelaufenen vereinbarten Vertragsstrafe wegen nicht rechtzeitiger Herstellung der Bezugsfertigkeit.
Der Bauträger verweigert weiterhin die Besitzübergabe und fordert die vollständige Bezahlung der Raten einschließlich der bei Besitzübergabe fälligen Rate.
Der Erwerber, der sich häufig in einer Zwangssituation befindet, dergestalt, dass er die bisher von ihm bewohnte Wohnung gekündigt hat, räumen muss, der Bereitstellungszinsen bezahlen muss für das wegen des Verzuges des Bauträgers nicht abgerufene Darlehen, steht vor der Frage, ob er dem – unberechtigten – Verlangen des Bauträgers nachgeben soll, um in den Besitz des Hauses, der Wohnung zu gelangen.
Als erstes Obergericht hat sich das Kammergericht Berlin mit der Frage befasst, ob in derartigen Fällen der Erwerber mit Aussicht auf Erfolg gegen den Bauträger eine einstweilige Verfügung beantragen kann des Inhalts, dass der Bauträger verpflichtet ist, ihm Zug um Zug gegen die Zahlung des berechtigten Betrages den Besitz an der Wohnung zu verschaffen. Erstmals in seinem Urteil vom 04.10.2017, 21 U 79/17 hat das Kammergericht Berlin einen solchen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bejaht.
Eine solche einstweilige Verfügung bietet dem Anspruchsteller die Möglichkeit, innerhalb kurzer Zeit zu seinem Recht zu kommen.
Derartige einstweilige Verfügungen sind Eilverfahren, die von den Gerichten vorrangig bearbeitet werden.
Es hat hierzu ausgeführt, dass ein entsprechender Verfügungsanspruch besteht, d. h. der Erwerber gegen den Bauträger einen Anspruch hat auf Besitzverschaffung, wenn er bereit ist, den dem Bauträger zustehenden Anspruch zu erfüllen.
Das Kammergericht hat auch das Vorliegen eines so genannten Verfügungsgrundes bejaht und dies im Wesentlichen damit begründet, dass
- sich der Erwerber im Normalfall in einer Zwangssituation befindet, und
- an die Besitzerlangung an der Wohnung, an dem Haus ein elementares Interesse hat,
da die Wohnung, das Haus den Mittelpunkt seiner Lebensführung darstellt, weiterhin
- es dem Erwerber nicht zugemutet werden kann, auf eine unabsehbare Zeit hinaus bis
zur Entscheidung in der Hauptsache weitere Kosten aufzuwenden für die Anmietung
einer Ersatzwohnung, der Zahlung von Bereitstellungszinsen.
Insoweit würde das Interesse des Erwerbers überwiegen.
In Fällen dieser Art sei es hinzunehmen, dass durch die Besitzerlangung im Wege einer einstweiligen Verfügung die Hauptsache vorweggenommen wird, d. h. der Erwerber dauerhaft Besitz am Haus, an der Wohnung erlangt.
Mit seinem Urteil vom 05.12.2017, 21 U 109/17 hat das Kammergericht Berlin seine Entscheidung vom 04.10.2017 bestätigt.
Ob sich weitere Oberlandesgerichte dieser vom Kammergericht Berlin vertretenen Rechtsauffassung anschließen werden, bleibt abzuwarten.
Im vom ehemaligen Vorsitzenden Richter des VII. Zivilsenats herausgegebenen Kommentar zu den §§ 631 bis 650 v BGB, „Bauvertragsrecht“, § 650 u Rdnr. 125 werden die Entscheidungen des Kammergerichts positiv kommentiert. Jedenfalls sollten die beiden Entscheidungen des Kammergerichts Berlin Erwerber von Wohnungseigentum ermutigen, in Fällen vergleichbarer Art den Weg zu den Gerichten zu suchen, und sie versuchen, im Wege einer einstweiligen Verfügung kurzfristig in den Besitz der erworbenen Immobilie zu gelangen.