Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass die Anfechtung der Annahme einer Erbschaft bei einer im Nachhinein festgestellten Überschuldung des Nachlasses möglich ist, wenn sich der Erbe nicht lediglich über den Wert des Nachlasses als solchen, sondern über (einzelne) wertbildende Faktoren irrt.

Gegenstand der Entscheidung des OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.10.2016, war die Frage, ob ein zuvor erteilter Erbschein aufgrund einer später erklärten Anfechtung der Erbschaftsannahme und zugleich erklärten Erbausschlagung unrichtig geworden und daher einzuziehen war. Darüber hinaus enthält die Entscheidung Ausführungen zu der Frage, ob und wie konkret die Ausschlagungserklärung eine Begründung enthalten muss und wie nachträglich gelieferte Anfechtungsgründe einzuordnen sind.

Die Erben hatten die Erbschaft nach ihrem verstorbenen Vater zunächst angenommen und wurden später mit einer Nachlassforderung konfrontiert, die zur Überschuldung des Nachlasses führte. Daraufhin erklärten die Erben die Anfechtung der Erbschaftsannahme.

Die Überschuldung der Erbschaft stellt eine verkehrswesentliche Eigenschaft dar, die zur Anfechtung berechtigen kann. Soweit der Wortlaut des § 119 Abs. 2 BGB einen Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft „einer Sache“ erfordert, ist anerkannt, dass das Wort Sache nicht im rechtstechnischen Sinne auszulegen ist, sondern im Sinne des Begriffs „Gegenstand“ zu verstehen ist, weshalb auch die Erbschaft unter den „Sachbegriff“ fällt, so dass der Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften der Erbschaft die Anfechtung begründen kann. Allerdings führt nicht jede unerwartet eintretende Nachlassüberschuldung zu einem Anfechtungsrecht. Hierbei ist wie folgt zu differenzieren: Kannte der Erbe die Zusammensetzung des Nachlasses und hat sich nur über den Wert der Aktiva und Passiva falsche Vorstellungen gemacht, beruht der Irrtum hinsichtlich einer etwaig eingetretenen Überschuldung nicht auf einem Irrtum über wertbildende Faktoren sondern über den Wert als solchen. Ein solcher Irrtum führt nicht zum Anfechtungsrecht. War dagegen die zur Überschuldung führende Verbindlichkeit bei der Erbschaftsannahme unbekannt, bezieht sich der Irrtum unmittelbar auf die Zusammensetzung des Nachlasses und damit auf einen wertbildenden Faktor.

In dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Sachverhalt soll es sich so dargestellt haben, dass die Erben sich überhaupt keine Gedanken zur Zusammensetzung des Nachlasses gemacht hatten, als sie die Erbschaft annahmen. Hierzu führt das Gericht aus, dass derjenige, der ohne nähere Kenntnis der Zusammensetzung des Nachlasses einer Fehlvorstellung über dessen Größe unterlag, ein Anfechtungsrecht hat. Denn in diesem Fall treffe der Erbe seine Entscheidung nicht auf Grundlage von Fakten, über die er sich hätte irren können. Vielmehr sei eine so getroffene Entscheidung Ergebnis einer reinen Spekulation über den Wert der Erbschaft, so dass kein Anfechtungsrecht besteht.

Vereinfacht gesagt: Wer sich überhaupt keine Gedanken macht bzw. gemacht hat, kann sich auch nicht irren.

Zur Kritik ist anzumerken, dass der eher beiläufige formulierte Grundsatz im Beschluss des OLG Düsseldorf bedenklich erscheint, dass zur Anfechtung nicht berechtigt sei, wer nicht aufgrund einer Bewertung ihm bekannter oder zugänglicher Fakten zu dem Ergebnis gelangt war, die Erbschaft wolle er annehmen und nicht ausschlagen, sondern seine Entscheidung auf spekulativer Grundlage getroffen hatte. Dies hätte zur Folge, dass jeder Erbe bei der Frage, ob er die Erbschaft annimmt oder ausschlägt, zumindest eine grobe Vorstellung von der Nachlasszusammensetzung und nicht allein von deren Wert hatte. Dies dürfte selbst bei engen Familienangehörigen fraglich sein. Hinzu kommt, dass sich Erben regelmäßig erst einen Überblick über den Nachlass verschaffen können, wenn sie die Erbschaft angenommen haben. Somit hat der Erbe keine andere Möglichkeit, als die Erbschaft anzunehmen, wenn er sich über die Zusammensetzung des Nachlasses informieren will.

Kritik verdient auch die Ausführung des Gerichts, wonach ein Anfechtungsrecht dann nicht besteht, wenn die Erbschaftsannahme auf einer „Wertspekulation“ beruht. In der Regel dürfte jedoch genau dies der Fall sein, da der Erbe normalerweise die Erbschaft annimmt, weil er davon ausgeht, dass der Nachlass ausreicht, um die Verbindlichkeiten zu begleichen und für die Erben noch ein Betrag übrig bleibt. Dies stellt jedoch keine Wertspekulation, sondern eine Fehlvorstellung über die Nichtexistenz von Verbindlichkeiten des Nachlasses dar.