Legt der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten auf dessen Anforderung hin ein privatschriftliches Nachlassverzeichnis vor, kann der Pflichtteilsberechtigte ohne Angabe von Gründen zusätzlich ein notarielles Verzeichnis verlangen. Dies ist weder rechtsmissbräuchlich, noch greift das Schikaneverbot ein.

Das OLG München hatte über folgenden Fall zu entscheiden: Nach Vorlage eines privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses forderte der Pflichtteilsberechtigte ohne Angabe von Gründen und kurz vor Eintritt der Verjährung seiner Pflichtteilsansprüche die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses gem. § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB vom Erben ein. Der Erbe verweigerte die Vorlage eines solchen notariellen Verzeichnisses mit der Begründung, er habe bereits durch Vorlage eines privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses Auskunft über den Bestand des Nachlasses erteilt. Daraufhin wurde er im Rahmen einer pflichtteilsrechtlichen Stufenklage auf erster Stufe vom Landgericht durch Teilurteil zur Vorlage des notariellen Nachlassverzeichnisses verpflichtet. Im Berfungsverfahren wies der 18. Zivilsenat des OLG München per Hinweisbeschluss darauf hin, dass die Berufung nicht erfolgreich sein dürfte.

Im Einklang mit der herrschenden Rechtsprechung begründete der Senat des OLG München dies damit, dass es für die Anforderung eines notariellen Nachlassverzeichnisses nach § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB auch dann keinerlei Begründungsargumente bedarf, wenn bereits ein umfassendes, vollständiges und einheitliches Privatverzeichnis vom Erben vorgelegt wurde, mit welchem dieser über den Bestand des Nachlasses Auskunft erteilt.
Beide Auskunftsarten des § 2314 Abs. 1 BGB stehen kumulativ nebeneinander und können daher nacheinander geltend gemacht werden. Das notarielle Nachlassverzeichnis bietet dem Pflichtteilsberechtigten die Gewähr einer höheren Richtigkeit als ein privat errichtetes Nachlassverzeichnis, da der Notar sich um eine vollständige und wahrheitsgemäße Aufklärung bemüht und dessen Verzeichnis Klarheit und Übersichtlichkeit erwarten lässt. Dass der klageweise verfolgte Verzeichnisanspruch kurz vor Eintritt der Verjährung mittels Stufenklage einen „pflichtteilsfremden Zweck“, nämlich die Verjährungshemmung der derzeit unbezifferten Pflichtteilsansprüche verfolge, wird vom Senat als irrelevant angesehen. Einen bestehenden Anspruch kurz vor Verjährungseintritt einzuklagen ist weder treuwidrig noch schikanös, §§ 242, 226 BGB, da der Gesetzgeber den Rechtsweg hierfür ausdrücklich nicht untersagt hat und eine Klage auch am letzten Tag des Fristablaufs möglich ist. Im Übrigen sei so der Senat offen, ob die Einrede der Verjährung überhaupt erhoben wird.

Die Bestätigung der ständigen Rechtsprechung durch das OLG München hat zur Folge, dass selbst der redliche Erbe, der sich bemüht, die Auskünfte durch ein privatschriftliches Verzeichnis dem Pflichtteilsberechtigten so gut als möglich, vollständig und nach besten Wissen und Gewissen dazulegen, auch dann nicht davor gefeit ist, ein notarielles Nachlassverzeichnis einholen und vorlegen zu müssen, wenn der Pflichtteilsberechtigte dies verlangt. Eine Ablehnung mit der Begründung, die Auskunft sei bereits durch ein privatschriftliches Nachlassverzeichnis erteilt worden, ist nicht möglich. Auch wenn der auskunftspflichte Erbe dies als „Schikane“ ansehen sollte, überschreitet das Verlangen des Pflichtteilsberechtigten zu keinem Zeitpunkt die Grenze des Schikaneverbots gem. § 226 BGB und ist auch nicht treuwidrig im Sinne des § 242 BGB. Der Erbe wird daher verpflichtet, zusätzlich zum privatschriftlichen Nachlassverzeichnis noch zusätzlich ein notarielles Verzeichnis vorzulegen.