Das OLG München hat in seinem Beschluss vom 03.11.2021 entschieden, dass wenn sich Eheleute erbvertraglich gegenseitig zu Erben des Erstversterbenden und einen Abkömmling zum Schlusserben einsetzen und zugleich regeln, dass "sonst nichts bestimmt" werden soll, keine vertragsmäßige Ersatzschlusserbeneinsetzung getroffen ist, an die der überlebende Ehegatte gebunden wäre.

Dem Beschluss des OLG München liegt folgender Fall zugrunde:
Die Eheleute beriefen sich mittels Erbvertrages zunächst zu Alleinerben und setzten den Sohn des Ehemanns zum Schlusserben ein. Zugleich wurde im Ehevertrag formuliert:
"Sonst wollen wir nichts bestimmen."

Der Ehemann verstarb, danach verstarb noch der Sohn des Ehemanns. Die Ehefrau berief daraufhin durch ein neues Testament eine neue Erbin, woraufhin die Enkelkinder des Ehemanns einen sie jeweils hälftig ausweisenden Erbschein aufgrund einer Ersatzschlusserbenstellung beantragte, die von der Ehefrau eingesetzte Erbin beantragte einen Alleinerbschein.
Das Nachlassgericht wies den Erbscheinsantrag der Enkel zurück, die dagegen erhobene Beschwerde ist erfolglos.

Der Senat des OLG München sieht in der weiteren Erbeinsetzung der überlebenden Ehefrau keinen Verstoß gegen § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach grundsätzlich eine Bindung des überlebenden Ehegatten an eine von ihm getroffene erdvertragsmäßige Verfügung in Bezug auf den Letztbedachten eintritt. Die Bindung entfällt, wenn der Bedachte wegfällt, es sei denn dessen Abkömmlinge sind als Ersatzerben berufen.

Der Erbvertrag der Eheleute ist daher hinsichtlich einer möglichen Ersatzerbenberufung auszulegen. Als Auslegungszeitpunkt ist maßgeblich der Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrages. Nachdem eine ausdrückliche Regelung fehlte, war zu bestimmen, ob die Grundsätze der ergänzenden Testamentsauslegung anzuwenden sind, wonach zunächst eine unbewusste Regelungslücke vorliegen muss. Wurde im Erbvertrag bewusst von der Benennung eines Ersatzerben abgesehen, hat die Lücke durch die ergänzende Testamentsauslegung nicht geschlossen und eine analoge Anwendung des § 2069 BGB entfällt, nachdem der individuelle Erblasserwille Vorrang hat.
Auslegungsmaßstab ist § 157 BGB.
Die überlebende Ehefrau hatte sich dahingehend geäußert, dass bei der Erstellung des Erbvertrages bewusst keine Ersatzerbfolge aufgenommen wurde, nachdem zum Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrages die Entwicklung der Enkelkinder nach der Auffassung der Witwe noch nicht abzusehen war. Die Tatsachen, dass die letztwilligen Verfügungen von einem Notar verfasst und dort bewusst die Regelung aufgenommen wurde, dass "sonst nichts bestimmt werden soll", ergeben in ihrer Gesamtschau, dass bewusst für den Fall, dass der im Erbvertrag genannte Schlusserbe wegfällt, keine Regelung bezüglich eines Ersatzerben gewollt war. Wegen des Vorrangs des individuellen Willens der Ehegatten vor § 2069 BGB, der analog anwendbar sei, stützt sich die Erbfolge nach dem Tod der Ehefrau auf deren später errichtetes Einzeltestament.

Diese Entscheidung ist hilfreich für die Praxis der Notare. Es wird klargestellt, dass mit der Regelung "sonst wollen wir heute nichts bestimmen" der individuelle Wille des oder der Erblasser den gesetzlichen Auslegungsregeln vorgeht. Eine ergänzende Auslegung des Testaments bzw. des Erbvertrages ist daher nicht erforderlich.

OLG München, Beschluss vom 03.11.2021 - 31 Wx 110/19