Das Amtsgericht Böblingen (3 C 1873/15; Urteil vom 17.12.2015) musste einen nicht alltäglichen Sachverhalt aus dem Bereich des Wohnraummietrechts entscheiden.
Die Mieterin stellte bei Google Anfang August 2015 eine Bewertung über ihre Vermieterin im Internet ein. Bei der Vermieterin handelte es sich um ein größeres Wohnungsunternehmen.
In der Bewertung behauptete die Mieterin, dass ihre Vermieterin Gesetze brechen und das Amtsgericht Böblingen bestechen würde. Zudem habe die Vermieterin versucht, von ihr eine doppelte Kaution zu kassieren. Weiter behauptete die Mieterin, die Vermieterin würde sie in den Suizid treiben und Fehler und Straftaten vertuschen.
Dies nahm die Vermieterin zum Anlass, der Mieterin mit Anwaltsschreiben vom 08.09.2015 außerordentlich fristlos kündigen zu lassen, verbunden mit der Aufforderung, die Wohnung bis zum 15.09.2015 zu räumen und geräumt an die Vermieterin herauszugeben. Die Mieterin ließ der Kündigung widersprechen.
Vor Ausspruch der Kündigung erfolgte keine Abmahnung.
Nachdem eine Räumung nicht erfolgte, ließ die Vermieterin eine Räumungsklage gegen die Mieterin einreichen. Vorgebracht wurde, dass die Mieterin mit den öffentlich getätigten Äußerungen den Straftatbestand der Verleumdung und der üblen Nachrede erfüllt habe und die Äußerungen offensichtlich geschäftsschädigend und rufschädigend seien; eine Vertrauensgrundlage sei zerstört.
Die Mieterin ließ Vorbringen, sie sei aufgrund ihres Gesundheitszustandes und aufgrund ihrer schwierigen persönlichen Situation besonders schutzwürdig. Aus diesem Grund hätte die Vermieterin vor der fristlosen Kündigung eine Abmahnung aussprechen müssen. Die Kündigung sei deshalb rechtswidrig.
Das Amtsgericht hat der Räumungsklage in vollem Umfang stattgegeben und einen Anspruch der Vermieterin auf Räumung und Herausgabe der Wohnung bejaht.
Die von der Vermieterin veranlasste außerordentliche fristlose Kündigung sei wirksam. Die von der Mieterin getätigten Behauptungen seien geeignet, die Vermieterin verächtlich zu machen und in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Die Behauptungen würden, soweit das Amtsgericht, den Tatbestand der üblen Nachrede (§ 186 StGB) erfüllen. In die umfassende Interessenabwägung sei auch einzustellen, dass die Mieterin selbst nach Klageerhebung die streitgegenständliche Bewertung nicht aus dem Internet gelöscht habe. Im Rahmen der allgemeinen vertraglichen Treuepflicht seien Vertragsparteien verpflichtet, alles zu unterlassen, was das Interesse des Vertragspartners an der Durchführung des Vertrages beeinträchtigen könnte und alles zu tun, was notwendig ist, um die Erfüllung der vertraglich übernommenen Verpflichtung sicherzustellen. Diese vertragliche Nebenpflicht werde verletzt, wenn eine Vertragspartei ohne anerkennenswertes Interesse Behauptungen in der Öffentlichkeit verbreitet, die geeignet sind, das Ansehen des Vertragspartners erheblich zu beeinträchtigen. Dies sei bei dem vorliegenden Sachverhalt der Fall.
Eine vorherige Abmahnung war aus Sicht des Amtsgerichts entbehrlich. Durch die Pflichtverletzung der Mieterin sei die das Schuldverhältnis tragende Vertrauensgrundlage zerstört worden. Durch eine Abmahnung könne diese Vertrauensgrundlage nicht wiederhergestellt werden.
Ergänzend zu dieser Entscheidung ist noch anzufügen, dass die der Mieterin gewährte Räumungsfrist mit dem 31.03.2015 abgelaufen ist, ohne dass eine Räumung erfolgte. Die Vermieterin ließ daraufhin einen Räumungsauftrag erteilen mit der Folge, dass von der zuständigen Gerichtsvollzieherin ein Räumungstermin bestimmt wurde. 16 Tage vor dem Räumungstermin ließ die Mieterin einen Vollstreckungsschutzantrag stellen unter Hinweis darauf, dass sie im Falle einer Räumung suizid gefährdet sei und sich schon ein langes Messer zugelegt habe.