Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 22.05.2019 (Az: VIII ZR 180/18) seine Rechtsprechung dahingehend konkretisiert, dass der von einem Mieter geltend gemachte Härtefall bei einer ordentlichen Kündigung ohne nähere Prüfung nicht zur Fortsetzung des Mietverhältnisses führen kann. Das Gericht dürfe nicht schematisch entscheiden, sondern vielmehr von Amts wegen ein Sachverständigengutachten einholen.
Der Bundesgerichtshof hatte über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:
Der Vermieter kündigte die von einer 80-jährigen Mieterin bewohnte Wohnung aufgrund von Eigenbedarf. Da die Mieterin aufgrund des Eigenbedarfs nicht auszog, hat der Vermieter auf Räumung der Wohnung geklagt. Zwar wurde von dem Gericht der Eigenbedarf bestätigt, jedoch wurde die Klage auf Räumung der Wohnung trotzdem abgewiesen. Als Begründung hierfür erklärte das Gericht, dass die Berufung der Mieterin auf die Sozialklausel, mithin auf die Härtegründe: hohes Alter, Demenzerkrankung, lange Wohndauer seit 1975 und Verwurzelung in der Wohngegend schwerwiegender sei als das Interesse des Vermieters an einer größeren Wohnung.
Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Gerichts aufgehoben und zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Allein das hohe Alter der Mieterin oder eine bestimmte Mietdauer könne nicht ohne weiteres zur Anwendung der Sozialklausel führen und eine Härte im Sinne des Gesetzes bilden. Sollte sich also ein Mieter auf schwerwiegende Erkrankungen und Gesundheitsgefahren, die mit einem eventuellen Umzug verbunden wären berufen, genüge dies allein nicht, um eine Fortsetzung des Mietverhältnisses zu erreichen. Es dürfe nicht schematisch entschieden werden. Daher müsse vielmehr von Amts wegen ein Sachverständigengutachten eingeholt werden um zu klären, an welchen Erkrankungen der betroffene Mieter konkret leidet, wie sich diese auf seine psychische und physische Verfassung auswirken. Auch müsse im Rahmen der Prüfung geklärt werden, ob und inwiefern ein Umzug für den Mieter durch begleitende ärztliche und/ oder therapeutische Behandlungen möglich sei.
Fazit:
Bei der Auslegung und der Anwendung des § 574 BGB haben die Gerichte das Bestandsinteresse des Mieters und das Erlangungsinteresse des Vermieters angemessen zu berücksichtigen und die beiderseitigen Belange gegeneinander abzuwägen. Eine solche Abwägung können die Gerichte nur vornehmen, wenn sie sorgfältig geprüft haben, ob der Härtefallgrund tatsächlich gegeben ist und zwar durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist es umso wichtiger, sich bei Bedarf an eine fachkundige anwaltliche Unterstützung zu wenden.