Aktuelle Rechtsprechung
Der gerichtliche Sachverständige und die ihm verordneten „Scheuklappen“
Wird ein Sachverständiger von den Gerichten mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt, ist er gehalten, sich streng an die Beantwortung der Fragen zu halten, die das Gericht ihm gestellt hat, in Ansehung derer es von ihm ein Gutachten erwartet. Der gerichtliche Sachverständige hat daher grundsätzlich rechtlich verordnete „Scheuklappen“ auf. Keine Regel ohne Ausnahme!
- Kategorie: Bau- und Architektenrecht
Anfechtung der Annahme einer Erbschaft zum Zwecke der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs zulässig.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ein zur Anfechtung der Erbschaftsannahme berechtigender Irrtum gegeben ist, wenn der mit Belastungen oder Beschränkungen als Erbe eingesetzte Pflichtteilsberechtigte irrig davon ausgeht, er dürfe die Erbschaft nicht ausschlagen, um seinen Pflichtteilsanspruch nicht zu verlieren.
Trau, schau, wem?
Dieses altdeutsche Sprichwort hat rechtliche Bedeutung. Das OLG München hat in seinem Urteil vom 10.08.2016, 20 U 1332/16 ausgeführt, dass eine wirksame Fristsetzung zur Nachbesserung mangelhafter Werkleistungen voraussetzt, dass dem Unternehmer hinreichend Gelegenheit zur Untersuchung der Sache, zur Überprüfung der erhobenen Mängelrügen gegeben wird.
Dies bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass die Nachbesserungsfrist so bemessen sein muss, dass der Auftragnehmer zunächst den behaupteten Mangel untersuchen kann. Der Auftraggeber ist daher gehalten, diesen Umstand bei der Bemessung der dem Unternehmer gesetzten Frist zu berücksichtigen. Versäumt er dies, ist die von ihm gesetzte Frist nicht ausreichend im Sinne des Gesetzes, bedeutet dies allerdings nicht, dass die Fristsetzung rechtlich irrelevant ist.
Vielmehr verlängert sich die unangemessene Frist in eine angemessene Frist.
- Kategorie: Bau- und Architektenrecht
Schweigen ist nicht immer Gold!
Das OLG Stuttgart hat in seinem Urteil vom 21.11.2016, 10 U 71/16 eine Frage beantwortet, die viele Auftragnehmer schon beschäftigt hat: Wie verhalte ich mich, wenn ich gegenüber meinem Auftraggeber ordnungsgemäß Bedenken angemeldet habe, darauf hingewiesen habe, dass ich für etwaige Mängel nicht einzustehen habe, die dadurch entstehen, dass meinen Bedenken seitens des Auftraggebers nicht Rechnung getragen wird, und dieser nicht reagiert, schweigt?
Das OLG Stuttgart hat in seiner Entscheidung klargestellt, dass ein Auftragnehmer, der seinem Auftraggeber gegenüber ordnungsgemäß Bedenken anmeldet, von der Haftung für solche Mängel befreit ist, die deshalb auftreten, weil der Auftraggeber den angemeldeten Bedenken nicht Rechnung getragen hat.
Auch der untätig bleibende Auftraggeber, so das Oberlandesgericht, hat für die sich ergebenden Folgen einzustehen.
Hieraus ergibt sich, dass der Auftragnehmer, so der Auftraggeber auf die Anmeldung von Bedenken nicht reagiert, seine Leistung erbringen kann, ohne befürchten zu müssen, wegen Mängeln in Anspruch genommen zu werden, die darauf zurückzuführen sind, dass der Auftraggeber auf die Anmeldung von Bedenken nicht reagiert hat.
Allerdings kann der Auftragnehmer die Leistung verweigern, wenn er auf Grund seiner Fachkunde davon ausgehen muss, dass es zu entsprechenden Mängeln kommen wird.
Kein Auftragnehmer ist verpflichtet, eine Leistung zu erbringen, die nicht geeignet ist, den geschuldeten Werkerfolg herbeizuführen.
- Kategorie: Bau- und Architektenrecht
Wer nicht richtig schreibt, nicht lange bleibt!
Dauerbrenner: Richtige Geltendmachung von Bedenken (vgl. OLG Zweibrücken, Urteil vom 03.12.2013, 8 U 32/11, Nichtzulassungsbeschwerde vom Bundesgerichtshof zurückgewiesen)
Liest man das Urteil des OLG Zweibrücken, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, als ob den maßgeblichen Kreisen, den Bauwerksunternehmern, die Bedeutung der Anmeldung von Bedenken noch immer nicht klar geworden ist.
Um was ging es: Ein größeres Unternehmen, das sich mit Klimatechnik befasst, hat auf der Grundlage eines ihr vom Auftraggeber überlassenen Blankoleistungsverzeichnisses, das ein Architekt erstellt hatte, sowie auf Grund ihr überlassener Pläne eine neue Heizungs- und Lüftungsanlage geplant und angeboten.
Hintergrund des Angebotes war, dass die Eigentümer eines Gebäudes, in dem sich mehrere unterschiedlich genutzte Räumlichkeiten befanden, unter anderem ein Fitness-Studio, ein Lokal, im Zuge einer größeren Nutzungsänderung von ihrem Architekten auf die Notwendigkeit einer entsprechenden leistungsstarken Heizungs- und Lüftungsanlage hingewiesen wurden.
Das erste von der Auftragnehmerin unterbreitete Angebot über 260.072,00 € wurde von den Bauherren nicht angenommen.
Der Auftragnehmer erstellte ein neues Angebot mit einem Pauschal-Werklohn in Höhe von 172.000,00 €.
Dieses Angebot wurde von dem Bauherren angenommen.
Die Auftragnehmerin baute exakt die Anlage ein, wie sie von ihr angeboten worden war.
Die Anlage als solche entsprach in vollem Umfang dem Angebot.
Die Anlage, die raumlufttechnische Anlage war jedoch nicht in der Lage, in den Sommermonaten für erträgliche Raumtemperaturen in den Trainingsräumen des Fitnesscenters zu sorgen.
Der vom Gericht beauftragte Sachverständige hat festgestellt, dass die Anlage als solche zwar der Vereinbarung entspreche, jedoch nicht geeignet sei, die erforderliche Luftqualität in den verschiedenen Räumen zu gewährleisten und damit ein funktionstaugliches Werk herzustellen.
Die Anlage, so der Sachverständige, beruhte auf einem fehlerhaften Konzept.
Das Oberlandesgericht hat den Auftraggebern den mit der Klage geltend gemachten Schadenersatz, der sich an den Kosten für die Herstellung einer ordnungsgemäßen Anlage orientiert hat, zugesprochen. Die vom Auftragnehmer geplante und erstellte lüftungstechnische Anlage sei mangelhaft, da der Auftraggeber als vom Auftragnehmer geschuldeten Werkerfolg eine funktionierende lüftungstechnische Versorgung erwarten durfte.
Dies entspricht seit langem der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes.
Verteidigt hat sich der Auftragnehmer mit der Behauptung, er habe insoweit Bedenken geltend gemacht gegen die Leistungsfähigkeit der Lüftungstechnik, wie sie nach dem zweiten Angebot von ihm geschuldet worden ist, darauf hingewiesen, dass lediglich 2 zentrale Geräte nicht ausreichend seien, um die gesamten Räumlichkeiten lüftungstechnisch zu versorgen.
Das OLG Zweibrücken hat in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung - nicht nur der des BGH, sondern auch der Oberlandesgerichte - ausgeführt, dass keine ausreichende Bedenkenanmeldung vorgelegen habe.
Der Auftragnehmer sei verpflichtet gewesen, seinen Auftraggeber ganz konkret darauf hinzuweisen, dass weitere, getrennte raumlufttechnische Anlagen erforderlich seien wegen der unterschiedlichen Nutzlasten der verschiedenen Räumlichkeiten.
Merke:
Wenn ein Auftragnehmer Bedenken gegen die Tauglichkeit der von ihm zu erbringenden Leistung anmeldet, müssen die Bedenken so konkret sein, dass der Auftraggeber erkennen kann, weshalb die vom Auftragnehmer geschuldete Leistung nicht geeignet ist, den vom Auftraggeber erwarteten Werkerfolg herbeizuführen. Es versteht sich von selbst, dass man Bedenken grundsätzlich, nicht nur in den Fällen, wie sie in § 4 Abs. 3 VOB B geregelt sind, schriftlich anmeldet, um den Beweis führen zu können, dass im erforderlichen Umfang Bedenken angemeldet worden sind.
- Kategorie: Bau- und Architektenrecht
Das teure Parkett
Welche existenzbedrohenden Folgen es haben kann, wenn ein Auftragnehmer die von ihm geschuldete Leistung nicht fristgerecht und mangelfrei erbringt, zeigt die Entscheidung des OLG München (Urteil vom 20.08.2013, 9 U 794/12 Bau; Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH zurückgewiesen)
Worum es ging, ergibt sich bereits aus den Leitsätzen der Entscheidung:
"1.
Wird die Leistung (hier Parkettverlegearbeiten) nicht termingerecht und mangelfrei hergestellt, hat der Auftragnehmer dem Auftraggeber den daraus entstehenden Schaden in voller Höhe zu ersetzen.
2.
Weist der Auftraggeber den Auftragnehmer auf Schäden für den Fall verspätet erzielter Bezugsfertigkeit hin, muss dem Auftragnehmer klar sein, dass erhebliche Folgeschäden drohen können. Verhindern Mängel die Bezugsfertigkeit einer Wohnung, ist regelmäßig mit erheblichen Schäden, die ein Vielfaches des Werklohns betragen können, zu rechnen."
Der Sachverhalt ist rasch erzählt: Ein Auftragnehmer hatte sich verpflichtet, in einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus, das ein gewerblich tätiger Auftraggeber hatte errichten lassen, Parkett zu verlegen. Er hatte sich verpflichtet, die Arbeiten bis zu einem bestimmten Zeitpunkt fertigzustellen.
Der Auftraggeber hatte ihn darauf hingewiesen, dass Schäden entstehen würden für den Fall, dass wegen der nicht fristgerecht und mangelfrei erbrachten Parkettverlegearbeiten die Bezugsfertigkeit nicht rechtzeitig hergestellt werden kann. Die Leistung des Auftragnehmers war mangelhaft. Dies hat dazu geführt, dass der Auftraggeber die Wohnung nicht an einen Kaufinteressenten verkaufen konnte, der, als Zeuge vom Gericht vernommen, bestätigt hat, dass er die Wohnung gekauft hätte, wenn sie bezugsfertig gewesen wäre.
Mit der Klage hat der Auftraggeber neben den Mangelbeseitigungskosten Schadenersatz geltend gemacht in Höhe der Kosten, die durch den Nichtverkauf und die Nichtvermietbarkeit seiner Wohnung unter anderem für die Zinsen angefallen waren.
Der Anspruch auf Kostenvorschuss zur Mangelbeseitigung belief sich auf 47.253,87 €, der Schadenersatzanspruch auf 210.407,17 € zzgl. Zinsen! Das Oberlandesgericht München hat dem Auftraggeber den Schadenersatzanspruch zugesprochen. Es sah es als erwiesen an, dass dem Auftraggeber der von diesem geltend gemachte Schaden entstanden ist.
Diese Entscheidung ist wichtig für all die Gewerke, von deren fristgerechter und mangelfreier Erbringung die Bezugsfertigkeit entsprechender Wohnungen, entsprechender Häuser abhängt.
An dieser Stelle folgender Hinweis: Hätten die Parteien eine wirksame Vertragsstrafe vereinbart, d. h. eine solche mit einem nach der Rechtsprechung zulässigen Tagessatz und einem Höchstbetrag von 5 % der Werklohnforderung, wäre der Auftragnehmer gleichwohl verpflichtet gewesen, dem Auftraggeber den Schaden zu ersetzen.
Es ist einem Auftraggeber unbenommen, so ihm ein Schaden entsteht, der höher ist als die vereinbarte Vertragsstrafe, diesen Schaden geltend zu machen.
- Kategorie: Bau- und Architektenrecht
Inanspruchnahme von Elternzeit - Schriftformerfordernis
Wer Elternzeit für den Zeitraum bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes beanspruchen will, muss sie nach § 16 Abs. 1 BEEG spätestens sieben Wochen vor Beginn der Elternzeit schriftlich vom Arbeitgeber verlangen und gleichzeitig erklären, für welche Zeiten innerhalb von zwei Jahren Elternzeit genommen werden soll. Bei der Inanspruchnahme handelt es sich um eine rechtsgestaltende empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit - vorbehaltlich der Vereinbarung einer Teilzeitbeschäftigung - zum Ruhen gebracht wird. Einer Zustimmung des Arbeitgebers bedarf es nicht. Das Elternzeitverlangen erfordert die strenge Schriftform iSv. § 126 Abs. 1 BGB. Es muss deshalb von der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. Ein Telefax oder eine E-Mail wahrt die von § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG vorgeschriebene Schriftform nicht und führt gemäß § 125 Satz 1 BGB zur Nichtigkeit der Erklärung. Allerdings kann sich ein Arbeitgeber aufgrund der Besonderheiten des konkreten Falls treuwidrig verhalten, indem er sich darauf beruft, das Schriftformerfordernis des § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG sei nicht gewahrt (§ 242 BGB).
Die Klägerin war als Rechtsanwaltsfachangestellte bei dem beklagten Rechtsanwalt beschäftigt. Dieser kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 15. November 2013. Im Kündigungsrechtsstreit machte die Klägerin geltend, sie habe dem Beklagten nach der Geburt ihrer Tochter per Telefax am 10. Juni 2013 mitgeteilt, dass sie Elternzeit für zwei Jahre in Anspruch nehme. Der Beklagte habe deshalb das Arbeitsverhältnis nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG nicht kündigen dürfen. Die Vorinstanzen haben der Kündigungsschutzklage stattgegeben.
Die Revision des Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundearbeitsgerichts Erfolg. Das Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung des Beklagten vom 15. November 2013 aufgelöst worden. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts genoss die Klägerin nicht den Sonderkündigungsschutz des § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG. Die Klägerin hatte mit ihrem Telefax vom 10. Juni 2013 nicht wirksam Elternzeit verlangt. Besonderheiten, die es dem Beklagten nach Treu und Glauben verwehrten, sich auf den Formverstoß zu berufen, lagen nicht vor.
Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 10. Mai 2016 - 9 AZR 145/15 -
- Kategorie: Arbeitsrecht
Hammerschlags- und Leiterrecht - Was bedeutet das konkret?
Man darf bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen ein Nachbargrundstück betreten und von dort aus Arbeiten an dem eigenen Gebäude ausführen.
Voraussetzung ist, dass die Arbeiten nicht von dem eigenen Grundstück aus vorgenommen werden können, dass dem Nachbar die Inanspruchnahme von dessen Grundstück rechtzeitig vorher angezeigt wird, dass dann auf dem Nachbargrundstück vorsichtig und schnell gearbeitet wird sowie Schäden inGrenzen gehalten werden und dass nach Abschluss der Arbeiten das Nachbargrundstück auf eigene Kosten wieder in den vorherigen Zustand versetzt wird.
Der Nachbar kann eventuell für die Inanspruchnahme seines Grundstücks die Bezahlung von Geld fordern.
- Kategorie: Bau- und Architektenrecht
Abnahme und letzte Raten beim Bauträgervertrag
Die gemäß der Makler- und Bauträgerverordnung zu zahlende letzte Kaufpreisrate beim Bauträgervertrag ist fällig nach „vollständiger Fertigstellung“ der Bausache. In der Praxis ist regelmäßig zu beobachten, dass Bauträger den Versuch unternehmen, die Bauherren bereits vor Abnahme und Schlüsselübergabe zur Zahlung dieser Rate zu bewegen. Dem sollte man nicht nachgeben.
- Kategorie: Bau- und Architektenrecht
Wie funktioniert ein Unternehmenskauf?
Bei dem Verkauf eines Unternehmens wird zwischen einem share- und einem asset-deal unterschieden.
- Kategorie: Handels- und Gesellschaftsrecht
Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen
Seit dem 01.10.2016 darf in vorformulierten Arbeitsverträgen für Erklärungen, die der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber abzugeben hat, keine strengere Form als die Textform gefordert werden.
Diese Neuregelung wirkt sich auf die Gestaltung von Arbeitsverträgen aus, da in Arbeitsverträgen oft die schriftliche Geltendmachung von Ansprüchen vorgesehen ist.
- Kategorie: Arbeitsrecht